Donnerstag, 23. Dezember 2010

Die Kunst des bewussten Ignorierens

Wir leben in einer polaren Welt des Ja und des Nein. Unser Verstand teilt alles, was die Sinne wahrnehmen, in dieses System ein: „mag ich“ oder „mag ich nicht“, „will ich“ oder „will ich nicht“, „tut mir gut“ oder „tut mir nicht gut“.

In dieser Welt ist es notwendig sich permanent zu entscheiden. Solche Entscheidungen schließen gleichzeitig das Gegenteil aus. Wenn ich durch diese Tür gehe, kann ich nicht gleichzeitig durch eine andere Tür gehen. Wenn ich mich für diesen Beruf entscheide, kann ich einen anderen Beruf nicht ausüben. Wenn ich mir diesen Menschen als Lebenspartner wähle, kann das kein anderer sein. Wenn ich einen Menschen verletze, wird dieser sich mir nicht öffnen usw.


Wer weiß, was er will, weiß im Grunde auch ganz genau, was er nicht will. Wer sich entschieden hat, glücklich sein zu wollen, der wird sich gegen alles wehren, dass diesen Zustand des Glücklichseins einschränkt oder behindert. Wer sich entschieden hat, mit diesem Menschen glücklich werden zu wollen, hat sich gleichzeitig gegen alle Verlockungen einer Alternative entschieden. Interessanter Weise entstehen die meisten Probleme dadurch, weil diese Wirklichkeit mit der ausschließenden Konsequenz einer Entscheidung nicht akzeptiert wird. Viele glauben, dass heute alles geht, dass man alles bekommen kann, dass man Anspruch auf alles hat. Viele versuchen tatsächlich mehreres bis alles gleichzeitig zu tun. Das führt dann oft zur Unruhe und Nervosität bis hin zur Verunsicherung und Ziellosigkeit. Glücklich wird so niemand.

Zum Glücklich werden und Glücklich sein braucht man eine klare Sicht für das, was man wirklich will, Kraft für die Entscheidung dafür und die Fähigkeit, alles bewusst zu ignorieren, was nicht dazu gehört. Wer sich darin übt, kann das Leben mit alle Sinnen genießen.

Sonntag, 12. Dezember 2010

Ein Lächeln öffnet Türen

Sprache, Mimik, Gestik, Körperbewegung bzw. Körperhaltung sind Teil unserer Kommunikation. Es ist eine Kunst sich stimmig in Gestik, Mimik, Haltung und den richtigen Worten mitzuteilen. Es ist auch eine Kunst einen anderen unter dieser Maßgabe zu verstehen. Missverständnisse sind da sehr selbstversändlich.

Für eine gute Kommunikation ist es hilfreich, wenn man erst einmal übt, mit sich selbst bewusst zu kommunizieren. Dies geschieht in der Stille. Dann kann man die Sinneswahrnehmung nach innen lenken; dann können sich die inneren Augen öffnen; dann kann man die innere Stimme hören; dann kann man Gefühle und Gedanken beobachten. In der Stille ist es möglich die innere Haltung und innere Bewegungen wahrzunehmen und die eigene innere Sprache zu studieren.

Jede Kommunikation braucht einen Anlass, eine Erstbegegnung. In diesem ersten Moment entscheiden wir, ob wir kommunizieren wollen. Wer in diesem ersten Moment lächelt, für den öffnen sich garantiert die Türen für eine Begegnung. Ein Lächeln ist eine wohltuende Einladung zur Kommunikation. Ein Lächeln öffnet Türen nach innen und nach außen.

Wer sich entspannen möchte, dem hilft es, sich selbst zuzulächeln. Wer mit jemandem ins Gespräch kommen möchte, dem hilft es, dem Menschen zuzulächeln. Wer mit sich selbst und anderen Freundschaft schließen möchte, dem hilft es, sich selbst und anderen zuzulächeln.
Ich lächle Ihnen zu.

Hari AUM
Kumud
kumud@aumkara.de

Mittwoch, 24. November 2010

Licht tanken.

Herbst und Winter sind wunderschön im verbleibenden Sonnenlicht. Meist ist das Licht aber eher diffus. Nur mit dem Schnee kehrt das Licht für einige Zeit intensiv zurück. Wir alle reagieren auf das geringe Tageslicht mit Müdigkeit und setzen in unserem Kopf den „Winterschlaf“ in Gang. Im Sommer erreicht die Helligkeit eine Lichtstärke bis zu 100.000 Lux. Selbst im Schatten werden dann noch 10.000 Lux gemessen. Im Winter dagegen erreicht die Helligkeit nur eine Intensität bis zu 3.500 Lux, oftmals sogar nur 1.500 Lux. Ein hell erleuchtetes Zimmer wird gerade mal 800 Lux stark, und der Arbeitsplatz ist meist nur bis zu 500 Lux stark erleuchtet.

So bleiben wir frisch!

Noch immer ist ein Spaziergang an der frischen Luft der beste Garant für eine gute Laune, besonders am frühen Morgen. Bei hellem Licht wird u.a. das Gute-Laune-Hormon Dopamin ausgeschüttet, wenn Licht in die offenen Augen fällt. Ich empfehle allen, sich auch im Winter eine direkte Lichtdusche zu gönnen.
Sich am frühen Morgen draußen an einen angenehmen Platz stellen und mit weit geöffneten Augen in den Himmel schauen. Das Licht durch die Augen für einige Minuten in Sie hineinströmen lassen. Dann die Augen schließen und gedanklich das Licht im Körper verteilen.

So regenerieren wir uns schnell!

Wir können uns aber auch jederzeit einen Urlaubsmoment mit einer indirekte Lichtdusche gönnen. Alle körperlichen und mentalen Prozesse sind in unserem Gehirn gespeichert. Nutzen wir doch unser Erinnerungsvermögen und unsere Vorstellungskraft für uns selbst. Wir alle haben schon so oft Sonnenaufgänge gesehen und in ein Licht geschaut.

Wenn wir uns nun still hinsetzen, die Augen schließen, ein Bild für das Sonnenlicht erinnern und dieses Licht über uns visualisieren, dann können wir uns vorstellen, dass die Lichtstrahlen wie der Wasserstrahl einer Dusche von oben auf uns treffen und an uns entlang fließen. Wie das Wasser wäscht dieses Licht alle Spannungen, Anstrengungen, Sorgen oder Ärgernisse von uns ab und reinigt uns emotional. Wenn wir nun noch ein kleines Lächeln auf unser Gesicht zaubern und nach innen lächeln, kann sich gleichzeitig das Licht in uns ausbreiten und alle Zellen mit Licht und Energie aufladen.

Ich wünsche uns eine schöne und lichte Winterzeit.

Hari AUM
Kumud D. Schramm
www.aumkara.de

Sonntag, 10. Oktober 2010

Die Kunst Standzuhalten.

Was haben die Dinge, die ich erschaffe, für einen Wert, wenn ich nicht zu ihnen stehen kann? Welche Kraft hat eine Entscheidung, die Widerständen gegenüber nicht standhalten kann? Was gilt mein Wort, wenn es sich nicht über Unbequemlichkeiten hinwegsetzen kann? Welchen Wert hat eine Freundschaft, die beim ersten Missverständnis zerbricht?

Jeder Mensch lebt in seiner eigenen Logik. Gewohnheiten, Erfahrungen und soziale und familiäre Denkmuster prägen den Mensch so sehr, dass jeder wie in einer eigenen Welt lebt. Innerhalb dieser Welt erscheinen uns Zusammenhänge logisch bzw. folgerichtig. Ob das aber wirklich stimmt, zeigt sich erst im Austausch mit anderen.
Es ist meist üblich sich ein persönliches Umfeld zuzulegen, das diese eigene Welt bestätigt. Meist werden danach die Freunde ausgesucht. So kann man bleiben, wer man ist bzw. muss sich nicht wirklich verändern.

Spirituell zu leben bedeutet für mich, sich dieser innewohnenden Tendenz der Identitätsschaffung bewusst zu werden und durch gezielte Kommunikation mit anderen Menschen, die ja wiederum in ihrer eigenen Welt leben, die eigenen Muster zu überprüfen und ggf. zu ändern. Genau an dieser Stelle zeigt sich, ob ein Mensch die Fähigkeit hat standzuhalten oder eher flüchtet.
Ich glaube, die spirituellen Momente im Leben sind diejenigen, in denen man nicht Recht bekommt, in denen man einen Fehler macht, in denen man nicht bekommt, was man erwartet und in denen man nicht im eigenen Denken bestätigt wird. Diese Momente sind die echten Herausforderungen an sich selbst und die Fähigkeit sich zu ändern, denn in diesen Momenten begegnen wir unseren inneren Feinden: Ärger, Angst, Eifersucht, Arroganz, Ignoranz usw. sind meist Reaktionen, wenn das eigene Weltbild nicht bestätigt wird. Jeder Mensch hat immer wieder die Wahl, ob er dann standzuhalten will oder vor ihnen flüchten will.
Für viele ist es leichter, sich eher neue Freunde zu suchen, als sich mit den alten auseinanderzusetzen oder zu streiten. Viele wechseln eher den Lebenspartner, als sich in der bestehende Partnerschaft aktiv für Veränderungen einzusetzen. Viele ändern lieber ihre Lebensumstände, egal wie aufwendig ein Neubeginn immer wieder ist, als sich selbst zu ändern und vergessen dabei: sie nehmen sich selbst mit. Manche aber stellen sich den Widersprüchen und üben sich darin standzuhalten. Ich gehöre zu den Menschen, die immer noch da sind.

Hari AUM
Kumud D. Schramm
kumud@web.de
www.aumkara.de

Donnerstag, 23. September 2010

Die Bedeutung des Augenblicks.

Ein Augenblick ist nicht nur der eine Moment, an dem ein Augenaufschlag geschieht. Ein Augenblick ist ein gegenwärtiger Moment, einen Augenaufschlag bewusst zu spüren. Wenn wir von der Bedeutung des Augenblicks sprechen, meinen wir das bewusste Registrieren der Bewegung bzw. der Nicht-Bewegung der Augenlider über einen längeren Zeitpunkt hinweg.

Das Leben findet nicht nur zwischen vergangenen und zukünftigen Handlungen statt, auch wenn das viele glauben und den gegenwärtigen Moment ausschließlich zum Erinnern und Planen weiterer Handlungen nutzen.
Vor einigen Jahren traf ich jemanden, der mich dazu befragte, wie man es nur in der Meditationshaltung aushalten könne. Überhaupt wäre Yoga überhaupt nichts für sie. Sie selbst hält es keinen Tag alleine zu Hause aus, weshalb sie auch wirklich nie krank sei. Sie könne diese Ruhe überhaupt nicht ertragen. Und sie wolle auch gar nicht über sich selbst nachdenken. Eine solche Haltung ist immer häufiger zu finden.

Ein Augenblick wird in einem solchen Kontext meist nur unerwartet in unfallähnlichen Situationen oder beim Sex oder in extremen Situationen wie bei Extremsportarten oder, wenn der Verstand mit verschiedenen Drogen ausgeschaltet wird, erlebt.


Ein Augenblick wird dann bedeutend, wenn die unermesslich vielen Eindrücke der Sinne bewusst wahrgenommen werden. Wenn diese bewusste Wahrnehmung über einen längeren Zeitraum ungestört geschieht, dann wird die Sinnesaktivität langsamer, ruhiger und es kann der eine Augenblick der Stille entstehen. Ein unbeschreiblich schöner und erfüllender Moment, den ich jedem Menschen wünsche.


Kumud D. Schramm

kumud@web.de

Dienstag, 31. August 2010

Das große Los ziehen.

So viele schöne und unschöne Dinge geschehen. Das ist nicht wirklich schlimm, denn alles, was heran strömt, wird weiter fließen. Begegnungen, Beziehungen, Erfolge, Konflikte und Probleme entstehen so selbstverständlich, wie es in der Natur Sonnenschein, Stürme, Regen und Gewitter gibt. Ganz natürlich reißt nach den inneren oder äußeren Turbulenzen immer wieder die (Gedanken-)Wolkendecke auf und die wärmende Sonne kommt wieder hervor. Dann werden Körper und Herz wieder erhellt und wir können uns mit allem versöhnen. Allerdings müssen wir dies zulassen.

Es ist eine Kunst, das Leben in die eigenen Hände zu nehmen und ungutes und hinderliches zu ändern. Dazu müssen Fähigkeiten erlernt und eine eigene Ethik entwickelt werden.
Es ist aber auch eine Kunst das Leben vertrauensvoll geschehen zu lassen, ohne einzugreifen und verändern zu wollen. Das Nervensystem entspannt sich, wenn man nach einer Aktivität loslassen kann. Sobald wir loslassen, d.h. uns von dem Erlebten lösen, entsteht ein innerer emotionaler Freiraum. Dann weiten sich unsere Gefühls- und Gedankenräume.

Lebensereignisse geschehen fließend wie der Atemstrom. Der Atemfluss geschieht wie ein Mechanismus, egal ob wir das wollen oder nicht. Sich dessen bewusst zu werden und in Übereinstimmung mit dem eigenen Atemfluss handelt, ist das Ziel der Yogapraxis. Wer den eigenen Lebensstrom geschehen lassen kann und ihm folgt, der zieht das große Los und gewinnt (Selbst-)Vertrauen.

Kumud D. Schramm
kumud@aumkara.de

Sonntag, 15. August 2010

Ich nehme mir meine eigene Zeit.

Zeitempfinden ist abhängig von dem, was und wie viel man in einem bestimmten Zeitabschnitt wie z.B. einem Tag tut, und wie man dieses Tun erlebt.
Man ist meist zufrieden mit sich, wenn inneres Erleben und eigene Handlungen übereinstimmen. Doch das ist nicht immer der Fall. Oft erleben wir eine Diskrepanz zwischen dem eigenen oder dem beruflich gefordertem Handeln und dem ganz persönlich gefühlsmäßigen Erleben. Diese Diskrepanz ist ein großer Stressfaktor.
Im Alltag scheint kein Platz für Gefühle oder persönlicher Reflektion zu sein. Wir sind so sehr mit dem Erfüllen von Pflichten und den endlosen To-Do-Listen beschäftigt, das alles Persönliche auf später verschoben wird. Wenn man sich dann abends oder am Wochenende keine Zeit für das Fühlen bzw. das gefühlsmäßige Aufarbeiten des Alltags nimmt, dann baut sich Druck im eigenen Inneren auf. Dieser Druck wird im Laufe der Zeit immer größer und kann irgendwann nicht mehr an nur einem Wochenende abgebaut werden, besonders, wenn auch in der freien Zeit die To-Do-Listen das Erleben dominieren. Dann wächst der Wunsch nach immer mehr Zeit für sich selbst. Dann erleben wir eine Trennung zwischen dem Zeitempfinden im eigenen Inneren und der Zeitdefinition im außen.

Eine Handlung, die in Begleitung und Übereinstimmung mit einem bewusst wahrgenommenen Gefühl stattfindet, braucht mehr zeitlichen Raum als ein Tun ohne Fühlen.

Ich glaube, dass der Luxus unserer Zeit darin besteht, sich einen persönlichen zeitlichen Raum für bewusst wahrgenommenes Fühlen, Handeln und Denken und deren Reflektion zu schaffen, zu nehmen bzw. zu erhalten. Regelmäßige Meditation und Yogapraxis helfen in Luxus zu erleben.

Hari AUM
Kumud
kumud@web.de

Montag, 26. Juli 2010

Sich selbst Leben einhauchen.

Vielleicht haben Sie das auch so oder ähnlich in der Kindheit erlebt und können sich noch erinnern? Zu den wohl eindringlichsten Ereignissen im Leben, gehören die vielen kleinen und größeren Wunden, die man als Kind erlebt. Hinfallen und sich wehtun war fast alltäglich und war meist nicht wirklich schlimm. Schürfwunden gehören einfach zur Kindheit. Der besondere Moment allerdings war, wenn dann die Mama kam und auf die Wunde blies. Dann wurde alles wieder gut. Das sanfte Pusten der Mama konnte Wunden wieder heilen. Es waren ihre liebenden, fürsorglichen und heilenden Wünsche, die dem Schmerz die Spitze nahm und die Wunde wieder vergessen ließ. Doch, warum warten bis die Mama kommt und pustet? Warum nicht selber auf die eigenen Wunden pusten und sich selbst heilen?


Die heilende Wirkung liebevoller Atemluft kann nicht nur äußerlich geschehen. Auch im Inneren können wir die heilende Lebensenergie, im Yoga Prana genannt, hin zu den Schmerzen lenken. Das geschieht durch Konzentration. Wenn wir uns auf die schmerzenden oder schwachen Stellen im Körper konzentrieren und gedanklich innen auf die Wunde pusten, können wir uns selbst heilen. Wenn wir uns gedanklich selbst umarmen, dann können wir uns selbst trösten.

Hari AUM
Kumud
kumud@aumkara.de

Sonntag, 18. Juli 2010

Mut zur Einzigartigkeit

Der Mensch hat einen starken Wunsch sich von anderen zu unterscheiden. Er möchte etwas Besonderes sein und aus der Menge herausragen. In den Bemühungen aber, anders auszusehen, als andere, sich anders zu geben, als andere, werden die Menschen doch wieder genauso wie alle anderen. Dieses Phänomen ist in allen Gruppierungen zu beobachten. Einerseits besteht der Wunsch nach Zugehörigkeit und Geborgenheit in einer Gruppe, andererseits nach Individualität und Einzigartigkeit. Für das eine wie das andere wird viel unternommen. Dabei ist der Blick meist nach außen gerichtet und es wird Gruppenzugehörigkeit oder Individualität demonstriert. Ganz besonders intensiv ist mir dies vor vielen Jahren in einer außergewöhnlichen Situation begegnet.

Damals war ich mal wieder in Südfrankreich mit dem Auto unterwegs, auf dem Weg von Arles hinein in die Camargue. Dort wollte ich an den Strand Les-Saintes-Marie-de-la-Mer und an der Wallfahrt der Zigeuner teilnehmen. Ich orientierte mich mit Hilfe einer zuvor gekauften Straßenkarte, d.h. damals ohne Navisystem. Völlig unerwartet tauchte vor mir ein Ort auf, der dort nicht sein sollte, denn es gab ihn nicht auf der Karte. Ich war gewohnt, dass sich Straßenkarten ändern, weil neue Wege und Straßen entstehen. Aber ich war nicht vorbereitet, dass auch komplett neue Städte als Gesamtpakete entstehen können. Doch fuhr ich nun durch die Straßen einer neuen Stadt mit Namen La Grande Motte. Alles wirkte wie aus einer Retorte, denn es waren ja keine gewachsenen Strukturen da. Der ganze Ort war wie eine Neubausiedlung künstlich erschaffen worden, was die Straßenkarten noch nicht erfasst hatten. Es war ein sehr eigentümliches Gefühl, mit dem ich durch den Ort ging. Alles kam mir unwirklich vor. Ich sah viele Menschen durch den Ort spazieren, die ebenso künstlich wirkten wie der gesamte Ort. Im Ganzen fiel besonders krass ein starkes Bemühen um Andersartigkeit auf. Da alles so geplant und gleichförmig wirkte, versuchten die Menschen sich in Kleidung und Bewegungsstil von der Umgebung und voneinander abzuheben. Keiner wollte geplant und gleichförmig aussehen, und doch geschah dadurch genau das Gegenteil: auch die Menschen unterschieden sich kaum voneinander.

In Frankfurt ist das auch überall zu sehen. Wer tagsüber in der Innenstadt rund um die Geschäftsgebäude unterwegs ist, sieht überall Menschen in Anzügen, je nach Witterung mit oder ohne Jacken, mit Dokumententaschen und Handys zwischen Menschen auf Shoppingtouren mit Taschen und Handys. Die meisten passen sich der äußeren Form der zugehörigen Gruppe an, um dazuzugehören bzw. sich von anderen abzugrenzen. Aber das Bemühen darum macht alle gleich. Genauso wie auf dem CSD an diesem Wochenende. Abgesehen von ein paar schrillen Vögeln, die sich mit einem mehr oder weniger kreativen Outfit präsentierten, sahen die meisten ziemlich gleichförmig aus. Es ist schon erstaunlich, wie wichtig vielen der gleiche uniforme Kurzhaarschnitt, das gleiche offensive Auftreten, der gleiche suchende oder lockende Blick ist. Das Angebot an sich anbietenden Partnern ist nur oberflächlich interessant, denn wirkliche Begegnungen können dort nicht stattfinden.

Ich glaube, dass sich echte Individualität nur im eigenen Bewusstsein finden lässt. Erst, wenn ich keine Bestätigung mehr von anderen brauche, wenn ich den Mut habe, auf mich selbst zu hören, mir selbst und meiner Wahrnehmung zu vertrauen und selbstständig entscheiden kann, erst dann werde ich einzigartig.

Hari AUM
Kumud

Dienstag, 6. Juli 2010

Alles hat seine Zeit

Für mich gibt es nur das Heute. Ich bin froh jetzt zu leben. Mir genügt in diesem Moment der eine Tag, den ich gerade lebe. An diesem Tag versuche ich so zu leben, dass ich am Abend zufrieden bin und alles Belastende wieder loslassen kann. Das wird dadurch möglich, dass ich ganz auf mich höre und spüre, welcher Aspekte meiner vielseitigen Persönlichkeit jetzt was erlebt. Das Licht des Tages und der Nacht bestimmen Stimmungen und Lebensfreude. So erlebe ich meine Gefühle, meine Gedanken und mein Handeln als ebenso rhythmisch wie es die Tageszeiten sind.

Der frühe Morgen ist für mich die allerschönste Tageszeit. Am frühen Morgen ist es so schön still. Es ist die Zeit mit den wenigsten Gedankenwellen. Ich stehe gerne sehr früh auf, nur um diese Stille zu genießen. Am frühen Morgen bin ich mir näher, als an jedem anderen Zeitpunkt des Tages. Kein Wunder, dass empfohlen wird früh am Morgen zu meditieren. Am Morgen wird immer alles wieder gut. Ich bin froh und manchmal auch erleichtert aufzuwachen und mich wieder begrüßen zu können.

Der Moment des Erwachens ist wie ein Versprechen, der tröstlich den ganzen Tag in sich enthält. Deshalb genieße ich den Morgen immer derart, dass ich alles wesentliche tue, um mich selbst zufrieden zu stellen. Erst dann beginne ich mit den Außenaktivitäten. Ich habe mit mir die Erfahrung gemacht, dass ich im Tagesablauf keine wirkliche Zeit mehr für mich selbst finde. Das ist für mich mittlerweile auch völlig in Ordnung so, wenn der Morgen schon so befriedigend war. Dann gehe ich leicht in einen mit Terminen und Aufgaben vollgepackten Tag, den ich mit allen Sinnen leben will.

Erst am Abend, wenn sich die Lebenskräfte durch die vielen Tätigkeiten erschöpft haben, entsteht wieder ein Raum für die Innenreflektion. Dieser Raum ist aber nicht still. Abendmeditationen sind angefüllt mit Unruhe, Erschöpfung und dem Verarbeiten des Erlebten. Es braucht unterschiedlich viel Zeit sich wieder zu regenerieren. Erst danach wird es möglich erholsam zu schlafen und dann hoffentlich erfrischt aufzuwachen.

Egal, was man am Tage gemacht hat, wie man gehandelt hat, ob man Fehler gemacht hat, falsche oder richtige Entscheidungen getroffen hat, ob man böse war oder verständnisvoll. Wenn wir am Morgen aufwachen, beginnt ein neuer Tag und wir bekommen eine neue Chance. Fehler können heute korrigiert werden. Entscheidungen können heute geändert werden. Heute kann man sich durchsetzen. Heute kann man verzeihen. Heute kann man weggehen oder stehenbleiben. Egal, um was es geht. Wir können jetzt beginnen anders zu handeln, neu zu denken oder genussvoller zu fühlen.

Wirklich alles hat seine Zeit, wenn man bewusst lebt.

Hari AUM
Kumud

Sonntag, 27. Juni 2010

Glück ist ein Geschenk,

das man sich verdienen kann.
Ich glaube, dass wir Menschen mit einem unterschiedlich großen Glückspotential geboren werden. Manche Menschen bringen die Fähigkeit, sich an den Dingen und Ereignissen zu erfreuen, einfach mit. Ihnen gelingt fast alles, sie sind umgeben von vielen Freunden, Angebote fliegen ihnen fast schon zu und Probleme lachen sie einfach weg. Es sieht aus, als würden diese Menschen mit einem Glückssegel dahin gleiten.

Glück ist ein Geschenk, das man einladen muss.


Ich glaube, dass wir uns für das Erleben von Glück fähig machen können. Wer nicht von vornherein so viel Glück hat und sich insgeheim danach sehnt, muss lernen das Glück regelrecht einzuladen und es zu erwarten. Dafür muss man sich Zeit nehmen. Glück kann man auf die gleiche Weise einladen, wie man einen lang ersehnten Gast erwartet. Man räumt auf, bereitet alles für das Wohlbefinden des Gastes vor, macht sich selbst hübsch und freut sich auf den Besuch. Allein schon diese erwartungsvolle Vorfreude schafft glückliche Momente. Meditation ist eine solche Vorbereitung und Einladung an das Glück.


Glück erhält sich durch Anerkennung.


Ich erlebe ständig unerwartete, glückliche Momente. Mit Hilfe meiner handwerklichen und verstandesmäßigen Fähigkeiten organisiere und koordiniere ich meinen Alltag bestmöglich. Und doch sind es die glücklichen Momente, die jegliches Handeln erfolgreich machen und mich emotional bereichern. Die verstandesmäßigen Tätigkeiten engen oft das eigene Lebensfeld ein und können zu Ärgernissen führen. Da ist es sehr hilfreich, wenn dann plötzlich der Parkplatz vor der Tür frei ist, oder sich ein Termin verschiebt, weil man selbst noch nicht vorbereitet ist, oder ein lang ersehnter Anruf von jemanden kommt, von dem man die Nummer verloren hatte. Der Tag ist voller kleiner und großer glücklicher Momente, die unseren Dank verdient haben.


Es ist ein Glück, wenn Handeln und Denken effektiv zusammen wirken, und man das bewusst emotional erleben kann. Glück ist eine feinmolekulare, fließende Energie, für die man sich erst sensibilisieren muss. Dies geschieht, wenn wir uns der vielen geschenkten Glücksmomente bewusst werden und uns dafür bedanken.

So wie es schön ist, ein Geschenk von Herzen zu bekommen, ist es auch schön sich dafür von Herzen zu bedanken.


Hari AUM


Kumud

Sonntag, 13. Juni 2010

Hand aufs Herz

Eine Hand aufs Herz kann Leben retten, z.B. mit einer Herzmassage. Mit der Hand aufs Herz legt man einen Eid ab und schwört, dass man die Wahrheit sagt. Untereinander fordern wir: „Komm, Hand aufs Herz, sag die Wahrheit. Meinst du das ehrlich?“. Mit einer Hand auf dem Herzen fordern wir „Komm, vertrau‘ mir“. Der indische Gruß Namaste, der begleitet wird mit der Geste Handflächen aneinander gelegt, wird im Alltag vereinfacht mit einer Hand aufs Herz.

Hand und Herz gehen miteinander.

Gefühle und Absichten, die von Herzen kommen, haben die größte schöpferische Kraft. Wünsche, Sehnsüchte und Visionen, die im Herzen entstehen, werden mit Händen zum Leben erschaffen. Dabei hilft der Verstand. Marc Aurel sagte einmal: „Im Laufe der Zeit nimmt die Seele die Farbe der Gedanken an.“ In uns wohnen kleine Monster, die wir besiegen müssen. Diese egozentrischen Monster Eifersucht, Neid, Arroganz, Ärger, Angst und Hass verleiten uns dazu nicht ehrlich zu sein. Offenheit, Ehrlichkeit, Herzlichkeit und Mut vertreiben diese Monster. Wenn wir uns darin üben, dass unsere Gedanken auf unser Herz hören und nicht umgekehrt, wenn wir unserem Herzen genügend Raum in unserem Leben geben, dann sind wir auf einem glücklichen und erfolgreichen Weg.

Atmen Sie ruhig und tief. Legen Sie eine Hand auf Ihr Herz. Richten Sie Ihre Aufmerksamkeit auf den Mittelpunkt Ihres Brustkorbs. Bitten Sie Ihr Herz zu Ihnen zu sprechen.

Die Hand auf dem Herzen wirkt wohltuend auf alle Ebenen und fördert die Selbstheilung. So können Liebe und Vertrauen entstehen.
„Sobald Du Dir vertraust, sobald weißt Du zu leben.“ Johann Wolfgang von Goethe

Es gibt eine wunderbare Meditationstechnik zur Stärkung des Grundvertrauens in uns.
Setzen Sie sich bequem an einen für Sie schönen Platz irgendwo in der Natur, auf eine Wiese oder eine Bank. Richten Sie den Blick auf einen Punkt vor sich. Halten Sie diesen Blickpunkt mit den Augen konstant. Atmen Sie ruhig und gleichmäßig tief. Erweitern Sie Ihren Bewusstseinsraum und machen Sie Ihren Blickraum weit. Sehen Sie alles: alles vor dem Blickpunkt bis zu Ihrem Körper, alles links und rechts von Ihnen und alles über den Blickpunkt hinaus. Sehen Sie alles gleichzeitig. Vielleicht können Sie sogar die Augenränder wahrnehmen, durch die Sie schauen wie durch ein Fenster mit Fensterrahmen. Bleiben Sie solange in dieser Haltung, wie Sie sich wohl fühlen und genießen Sie sich in der Natur.

Hari AUM, Kumud
Mein Name bedeutet Nachtlotos: Ich strecke mich immer dem Licht entgegen. Auch in schwierigsten Situationen orientiere ich mich an Lösungen. Finden, nicht suchen ist meine Devise.

Samstag, 5. Juni 2010

Der ganz normale Wahnsinn

Immer häufiger stellt sich die Frage: „Kann man das noch verstehen?“ Ganz normale Alltagssituationen erscheinen einem als äußerst skurrile. Begegnungen mit Menschen werden als aberwitzig erlebt. Und so manches Mal glaubt man sich zurück versetzt in eine archaische Zeit, weit vor der Entwicklung von bewussten menschlichen Verhaltensweisen.

Jeder Mensch braucht einen ‚Raum‘ um sich herum, der um einiges größer sein muss, als der bloße Körper beansprucht. Dieser Lebensraum wird sehr unterschiedlich erlebt. Innerhalb dieses Raumes leben wir Gefühle aus und handeln wir. Je unzufriedener ein Mensch ist, je größer sein Verlangen, desto mehr beansprucht dieser Mensch an Raum und verteidigt ihn entsprechend rigide. Je zufriedener und wohler sich ein Mensch fühlt, desto beweglicher ist er im Anspruch dieses Raumes. Die Begegnung von Menschen beginnt immer peripher und ist auch immer eine Begegnung von diesen Räumen.

Miteinander oder Gegeneinander?

Für mich ist das besonders spürbar, wenn ich z.B. über die Zeil laufe, eine Einkaufsmeile in Frankfurt a.M. Schon nach dem kurzen Stück zwischen Konstablerwache und Hauptwache fühlt sich mein eigener Raum völlig zerbeult an. Der Bummel wird regelrecht zu einer Auto-Skooter-Fahrt. Die ‚Räume‘ der Menschen stoßen aneinander und hinterlassen energetische und gefühlsmäßige Beulen wie bei einem Unfall.
Das habe ich bei meinen vielen Aufenthalten in Indien völlig anders erlebt. Auf meinen Einkaufstouren in Poona habe ich ein Vielfaches mehr an Aktivitäten auf der Straße erlebt. Dort gibt es keine verkehrsberuhigten Straßen. Alles findet auf der Straße statt: Rikschas fahren halsbrecherisch durch die Menschenmassen und hupen mit unvergesslichem Sound. Taxis beanspruchen behäbig einen breiten Raum. Auch sie müssen langsam fahren. Fußgänger gehen zwischen Autos, Rikschas und den vielen Menschen zielstrebig ihren Weg und schlängeln sich überall durch. Lastenträger befördern auf kunstvolle Weise die Ware und beliefern an jeder Ecke Geschäfte, Straßenstände und Straßenhändler. Baustellen sind überraschend quirlig, wirken mit Bambusstangen nur dürftig abgestützt und kaum abgesichert und lassen doch große Bauwerke entstehen. Zwischendrin werden Kühe umfahren und umgangen. Bettler zeigen ihre unglaublichen Behinderungen und sind trotzdem freundlich und unterhaltsam oder tätigen sich als kleine Händler mit Gummibändern oder Haarspangen. Und trotzdem kommt es nicht zu diesen menschlichen ‚Raum‘ Zusammenstößen wie auf der Zeil. Alles schwingt und bewegt sich weich miteinander, weicht aus, nutzt entstandene Zwischenräume, lässt Vortritt. Es scheint, als wären sich alle der anderen bewusst und beziehen sie in die eigenen Aktivitäten mit ein. Durch die gewohnte Enge des Zusammenspiels vieler Elemente des Alltags bewahren die Menschen ihren eigenen Lebensraum und auch den der anderen. Besser miteinander als Gegeneinander.

Wie anders bewegt sich der Verkehr auf unseren Straßen. Mir scheint es meist, als wären sich die Autofahrer nicht bewusst, dass sie Auto fahren. Sie tun so Vieles andere während des Fahrens: telefonieren, essen, rauchen, mit Beifahrern reden, manchmal sogar Zeitung lesen... Einmal habe ich sogar erlebt, wie ein Fahrer sich umdrehte und seine Kinder auf der Rückbank verprügelte. Wohlgemerkt: während des Fahrens. Überhaupt gibt es den ganz normalen Wahnsinn im Straßenverkehr. Die meisten Autos scheinen defekt. Bei manchen funktionieren die Blinklichter nicht mehr oder der Fahrer hat vergessen wie man den Blinker bedient. Bei manchen sind die Bremsen defekt oder der Fahrer erschrickt überraschend vor einer roten Ampel und vergisst vor Schreck zu bremsen und tritt kämpferisch auf das Gaspedal.
Manche reagieren äußerst unwillig und kämpferisch, wenn ein Auto auf die eigene Fahrspur wechseln möchte. Andere können nicht begreifen, dass andere laut hupen, weil man selbst von der äußeren linken Fahrspur spontan rechts abbiegen will. Manche bekommen die Aufregung und den Verkehrsstau gar nicht mit, die entstanden sind, weil man auf der rechten Fahrspur gehalten hat, um in einem Geschäft etwas Wichtiges zu erledigen. Schließlich gab es ja keinen Parkplatz vor dem Geschäft. Die anderen werden gar nicht wahrgenommen. Alle sind mit so vielem anderen beschäftigt, nur nicht mit dem was sie gerade tun, nämlich Auto fahren. Manche nennen das Multitasking, ich nenne das Unfähigkeit.
Überhaupt sind alle mit sich selbst beschäftigt. Die eigenen Bedürfnisse, d.h. die eigenen Mängel stehen oft im Vordergrund. Da werden die Ellenbogen rausgefahren, um sich den eigenen Weg zu erkämpfen bzw. den eigenen Lebensraum zu verteidigen. Das geschieht überall. Im Kampf um den Erhalt des eigenen Raumes entstehen viele Beulen, die den eigenen Raum einschränken. Das führt zu unterschiedlichen Reaktionen. So wird z.B. der Anspruch an eigenem Wohnraum immer größer, doch die Anzahl der Menschen, die darin wohnen, wird immer weniger. Das ist halt der ganz normale Alltagswahnsinn, der Alltagswitz.

Lachen ist die einzige Lösung.

Betrachten wir unsere Alltagsbewegungen als Spiel auf der Lebenskirmes, als eine Auto-Skooter-Fahrt. Dann gewinnen wir vielleicht die Freude am Spiel zurück. Dann lachen wir über die aberwitzigen Reaktionen mancher Menschen, anstatt uns zu ärgern. Dann lachen wir über uns selbst über die eigenen Gedanken und Gefühle, die uns immer wieder einen Streich spielen. Humor ist die Kraft in allen Situationen zu gewinnen. Lachen macht nicht nur den Herzensraum weit, sondern schafft auch einen weiten Raum um sich herum.

Das Leben ist ein Spiel, dass sich zu lernen lohnt.
Hari AUM

Sonntag, 16. Mai 2010

Das Leben in vollen Zügen genießen.

Das Leben wird mit den Sinnesorganen und der Sinneswahrnehmung aktiv erfasst.
Die differenzierte Wahrnehmung der Augen lässt die Welt bunt bis farblos erscheinen. Die sensible Wahrnehmung der Ohren lässt die Welt laut bis leise erklingen. Die feine Wahrnehmung der Nase lässt die Welt wohlduftend bis abwehrend anmuten. Die geschmackvolle Wahrnehmung der Zunge lässt die Welt als nährend bis ablehnend erkennen. Die wohlige Wahrnehmung der Haut lässt die Welt weich bis hart erleben.

Das bewusste Erleben von Sinneswahrnehmung geht einher mit der Fähigkeit genießen zu können. Genießen ist ein aktives Erleben und grundsätzliches Bejahen von allem in diesem erlebten Moment. Genießen geschieht nur mit allen Sinnen gleichzeitig im Erleben des ‚Einverstanden-seins‘ mit sich selbst und der Welt. Es ist nicht möglich nur einen Duft zu genießen und gleichzeitig einen Klang oder Geschmack abzulehnen. Im Erleben des Genießens werden keine Sinneseindrücke bewertet. Wenn man jetzt genießt, dann erlebt man alles intensiv.

Der Begriff in ‚vollen Zügen genießen‘ symbolisiert diese Vielfalt der Sinneswahrnehmung. Wie ein voller Zug bunt, laut, dicht gedrängt, lebendig, vielfältig, abwechslungsreich und schnell ist, so strömen die Sinneseindrücke in uns hinein. Wenn wir gleichzeitig, bewusst und wertfrei wahrnehmen können, dann kann der Reichtum der Sinneseindrücke genossen werden.

Genießen kann man nicht auf morgen verschieben. Entweder man genießt jetzt oder nicht. Genießen kann man lernen, indem man übt die Sinneseindrücke ohne Wertung wahrzunehmen. Man muss sich dafür nur Zeit nehmen.

Das Leben ist wunderschön.
Hari AUM

Sonntag, 9. Mai 2010

Alles hat seinen Preis.

Achtung! An alle ‚Schnäppchenjäger‘: Nur selten ist etwas wirklich billig. Wenn man billig einkauft, bekommt man meist etwas billiges. Nur selten gibt es etwas qualitativ Hochwertiges für einen günstigen Preis, wenn z.B. falsch kalkuliert wurde und dieser Artikel nicht verkauft wurde. Aber hat dieser Artikel dann noch den Wert, wenn ihn niemand anderer wollte? Nur selten sind Rabatte wirkliche Rabatte. Meist werden spezielle billige Artikel für Sonderangebotsaktionen eingekauft. Fast alle herstellenden Firmen haben sich mittlerweile darauf eingestellt und produzieren beides: Hochwertiges mit hohem Preis und Billiges mit günstigem Preis. So ist der Markt vielfältig geworden und jeder bekommt das, was für ihn möglich ist bzw. für ihn nötig ist. Alles hat seinen Preis. Es stellt sich nur die Frage: welchen Preis?

Wer den ausgewiesenen Preis nicht in Euro bezahlen möchte, der bezahlt auf andere Weise, z.B. mit Zeit. Für die Suche nach Schnäppchen braucht man viel Zeit. Zeit braucht man nicht nur für das Studieren der vielen Handzettel mit sog. Sonderangeboten, sondern auch für das Herumfahren von einem Supermarkt zum anderen. Wer nicht bereit ist ein teures Hotelzimmer zu buchen, wird Zeit im Internet oder Reisebüro verbringen, um ein günstiges Angebot zu finden.

Es ist unüberschaubar geworden den richtigen Preis zu sehen bzw. zu kennen. Der Preis richtet sich nicht mehr nach dem Wert des Gegenstandes, der sich durch die handwerkliche Herstellung ergibt. Der Preis setzt sich meist zusammen aus geringen Herstellungskosten, hohen Transportkosten, noch höheren Kosten für den Handel und dem Wert, den jemand zu bezahlen bereit ist. Jeder will mitverdienen. Der wirkliche Preis aber ist die Nutzung des Gegenstandes oder der sinnliche Genuss im Gebrauch. Jeder weiß, dass der Preis eines Gegenstandes im Einkauf ein anderer ist als im späteren Verkauf. Wenn z.B. ein Gegenstand wieder verkauft werden soll, dann zählen nur die Materialkosten und die geringen Herstellungskosten. Alle anderen Kosten zählen nicht mehr. Einzige Ausnahme bilden Gegenstände, die gerade ‚on top‘ sind bzw. gesellschaftlich verabredet einen Wert darstellen. Alle anderen Preise verlieren sofort nach dem Kauf ihren Preis, und ungenutzte Gegenstände verlieren ihren Wert.

Womit wird bezahlt? Mit Geld oder mit Zeit? Wer heraus finden will, welches der richtige Preis ist, braucht Zeit dafür. Wer diese Zeit nicht geben will, braucht Geld für den höheren Preis. Geld wird durch Arbeit erwirtschaftet. Arbeiten ist gesellschaftliche Tätigkeit in einem vertraglich definierten Zeitfenster. Der Verdienst ist Ausgleich für die gegebene Zeit. So bilden Geld und Zeit einen sich bedingenden Wert: Zeit ist Geld und Geld ist Zeit. Jeder gibt das, was er hat. Der eine hat mehr Geld, der andere mehr Zeit. So sind wir alle auf eine eigene Art reich oder arm.

Hari AUM

Sonntag, 25. April 2010

Warten oder Starten?

Entsprechend dem Yin-Yang-Prinzip gibt es unterschiedliche Reaktionen auf Situationen.
Die Menschen, die eher träge sind, älter sind oder genügend Geld haben, die fügen sich leichter in ihr Schicksal und warten. Die Menschen, die selbstständig sind, die genau rechnen müssen, die keine Absicherung haben oder von denen viel abhängt, die werden aktiv und starten. Und keiner weiß, was richtig ist: warten oder starten.
Eigentlich war für mich alles im Fluss. Ich hatte eine wunderschöne, stille Woche in Gran Canaria erlebt und befand mit nun auf dem Rückweg nach Hause. Wie viele andere Menschen auch hat mich das Aussetzen alle Flüge Mitte April 2010 in meinem Lebensrhythmus völlig überraschend ausgebremst. Plötzlich war da die Frage zu beantworten: Muss man diese Situation aussitzen oder sollte man alles selbst in die Hand nehmen? Ich habe beides erlebt.

Als im Flughafen stehend klar wurde, dass der Flieger nach Frankfurt nicht starten würde, auch nicht auf absehbare Zeit starten würde, konnte ich das erst nicht glauben. So etwas passiert einfach nicht in unseren wohlorganisierten Landen. Die zweite Reaktion war die Erwartung, dass die Fluggesellschaft sich ‚darum‘ und um uns kümmern würde. Diese Versorgt-werden-Haltung wurde anfangs erfüllt. Recht schnell und umsichtig sammelte die Fluggesellschaft die stehen gebliebenen Fluggäste ein und lud sie in einem großen Hotel ab. Dort war man dann erst einmal aus der ‚Schusslinie‘ und wurde versorgt. Im Laufe des Tages und in den nächsten Tagen trafen im Hotel immer mehr Leute ein. Es wurde eine bunte Mischung aus Individualreisenden und Pauschalreisenden. Das gemeinsam Erlebte ließ ein solidarisches Gefühl mit anderen entstehen, und sogar die sonst oft ablehnende Haltung gegenüber anderen Gesellschaftsschichten, Alter usw. überwinden. So bildeten sich immer mehr kleine Gemeinschaften bis hin zu Freundschaftsgruppierungen. Für mich war das ein komplettes Gegenprogramm zu meiner Stillewoche zuvor. Die Tage waren jetzt von der Suche nach Informationen und den Gesprächen über die gegenwärtige Situation mit den anderen Reisenden bestimmt. Jede neue Information wurde mehrfach diskutiert, fast schon widergekaut. Das Leben war nun getacktet durch die Abstände der Termine, für die weitere Informationen versprochen waren: „Sie erhalten die nächste Information um 10.00 Uhr“, später 13.00 Uhr, dann 18.00 Uhr, am nächsten Morgen um 8.00 Uhr usw. Dazwischen war ein frei und doch nicht frei. Man konnte nicht wirklich entspannen. Zwar wurde für alles (U/V) gesorgt, und doch fühlte man sich eingesperrt. Das konnte man solange hinnehmen bis sich herausstellte, dass die Fluggesellschaft nun doch nicht für uns zuständig sei. Nun hieß es plötzlich, wir müssen uns um uns selbst kümmern. Wir hatten übers Internet bei TUI Fly gebucht. TUI Fly ist aber eine eigenständige Firma, mit der TUI fliegt. Die Firma TUI sei aber nur für die Pauschaltouristen verantwortlich. Wir waren nun ganz auf uns selbst gestellt. Ein weiteres Mal fielen wir aus dem Versorgt-werden-Himmel. Wir mussten für das Hotel selbst bezahlen und wurden nicht mehr informiert. Wie froh war ich über meine persönliche Informationsquelle, denn ich wurde von meiner Freundin telefonisch auf dem Laufenden gehalten. Ich befürchte eine enorm hohe Telefonrechnung. Tja, aber was nun tun? Waren wir zuvor schon ‚Gestrandete‘, so waren wir jetzt ‚allein-gelassen-Gestrandete‘. In den Telefonaten mit verschiedenen Fluggesellschaften wurde für mich das Ausmaß der Situation immer größer: der erste Flug, den ich bekommen könnte, wäre der 8. Mai, und dass natürlich auch nicht wirklich sicher. Keiner konnte wissen wie sich die Naturereignisse weiterentwickeln würden.

Die tendenziell eher passiven Leute, die meist auch finanziell unabhängig sind, sagten: „Besser abwarten. Das gibt sich bestimmt in den nächsten 2 Wochen.“ Die eher aktiven Leute wollten etwas tun, wollten wenigstens von der Insel runter und rauf auf das europäische Festland, um von dort irgendwie weiter zu kommen.
Was soll ich noch 2 Wochen lang auf dieser Insel machen? Diese ungewollt passive Situation nimmt mir aktivem Menschen die Kraft. Natürlich könnte ich mich beschäftigen, doch ist es nicht das, was ich will. Ich will aktiv werden. Diese ungewollte Zeit ist für mich eine verlorene Zeit. Ich bin innerlich angespannt und bereit sofort auf eine neue Information aktiv zu reagieren. Ich möchte nach Hause, denn dort warten meine Arbeit, meine Schüler, meine Kollegen und die Freunde auf mich. Als ich den ersten Schock überwunden hatte, stand die alles entscheidende Frage an: füge ich mich der Situation und den Bedingungen und warte ich? oder werde ich aktiv und schlage mich selbst nach Hause durch? Also führte der nächste Schritt zum Flughafen, um dort alles zu versuchen. Zum Glück musste ich nicht alleine fahren. Es formierte sich eine neue Gemeinschaft von aktiven und mutigen Menschen. Das Ergebnis war zwar wie befürchtet frustrierend, denn es gab keinen Flug nach Hause und es solle auch auf absehbare Zeit keine geben.
Als sich dann doch eine Möglichkeit bot nach Malaga zu fliegen, griffen wir sofort zu und hofften, dass das Flugzeug morgen nun auch wirklich starten möge. Es drohte noch immer die Gefahr, dass auch der Flughafen in Malaga schließen könnte. Ich habe nachts über die vor uns liegende Reise meditiert und mir freundliche und hilfsbereite Menschen auf dem Weg gewünscht, dass es immer irgendwie weitergehen möge und dass wir unser Ziel erreichen werden.

Der Abschied von den neu gewonnenen Freunden fiel unerwartet schwer. Obwohl wir uns erst seit drei Tage kannten und in Denken und Fühlen sehr verschieden sind, hatten wir uns gutgetan. Für die Zurückbleibenden war es, als würden wir mit diesem Flug und der unbekannte Weiterreise zu einer Expedition in unbekanntes Gebiet aufbrechen: in die Selbst-Aktivität und Selbst-Versorgung ohne wirkliche Erfolgsgarantie.

Eine Abenteuerreise quer durch West Europa.

Der Flug mittags nach Malaga klappte ohne nennenswerte Vorkommnisse. Schon keimte die Hoffnung auf in Malaga einen Anschlussflug zu bekommen. Keine Chance. Alle Schalter in der Abflughalle waren von langen Menschen- und Gepäckwagenschlangen umlagert. Es ist kein Weiterflug möglich. Mit etwas Mühe bewegen wir uns mit all‘ unseren Gepäckstücken zum Bus, der zum Bahnhof von Málaga fährt. Auch dort lange Schlangen vor den Fahrkartenschaltern. Ganz schnell wird klar, dass es auch hier im Grunde kein Angebot gibt. Wir finden heraus, dass es Busverbindungen in andere europäische Städte gibt. Also marschierten wir weiter zum Busbahnhof. Dort fragten wir uns durch und hatten dann Glück. Es gab einen Bus nach Barcelona, der noch am selben Abend um 21.30 Uhr abfuhr. Da war noch etwas Zeit, um eine Kleinigkeit zu essen und Proviant einzukaufen, denn es wird eine lange Reise über ca. 1000 km und fast 15 Stunden. Wir kamen am nächsten Tag mittags in Barcelona an und mussten wieder herausfinden wie es weitergeht. Nach wie vor gab es in absehbarer Zeit keinen freien Platz in einem Zug nach Deutschland. Außerdem wurde die Bahn in Frankreich bestreikt. Das ist in diesen Zeiten ziemlich rücksichtslos von den Franzosen. Es gab auch keine infrage kommende Busverbindung. Frühestens Ende der Woche sollte ein Bus nach Norden fahren. Wir wussten nicht mehr weiter und wollten trotz gegenteiliger Informationen zum Flughafen fahren.

Ein Geschenk des Himmels

Und dann war sie plötzlich da: die aus dem Nichts kommende, unerwartete und doch ersehnte Chance. Ein Mann kam auf uns zu und fragte, ob wir einen Transfer nach Frankreich bräuchten. Er hätte noch sieben Plätze in einem Bus anzubieten. Auf Nachfrage erzählte er seine Geschichte: Er selbst ist Franzose, war mit Freunden in Urlaub und komme derzeit aus Marrakesch. Er war ca. 18 Stunden mit dem Bus unterwegs und ist jetzt hier gestrandet. Auf der Suche nach einer Weiterfahrmöglichkeit wurden sie von vielen anderen Leuten angesprochen, die in der gleichen Situation sind. Dabei wurde die Idee geboren, selbst einen Bus zu chartern. Ein befreundeter Geschäftskollege in Avignon wurde angerufen, der ein Busunternehmen hat. Dieser hatte ganz in der Nähe von Barcelona einen Bus stehen. Innerhalb von zwei Stunden konnte der vor Ort sein. In der Zwischenzeit sammelten sich immer mehr Gestrandete am Busbahnhof von Barcelona. Allen drohte das Schicksal in der Stadt ‚hängen zu bleiben‘ und schlossen sich jetzt diesem privaten Buscharter an. Es war unglaublich, aber wahr: uns wurden die letzten Plätze offeriert. Wir brauchten nicht wirklich zu überlegen und griffen wieder spontan zu. Die fast 50 Leute, mit denen wir fuhren, waren bunt gemischt in Alter, Gesellschaftsschicht, Nationalität und Farbe. Eine leichte und beschwingte Energie verband uns in diesem Moment miteinander. Alle waren froh über die Weitereise. Schnell noch einmal zur Toilette, Verpflegung eingekauft und hinein in den Bus. Die nächste Etappe nach Hause begann. Diese fast 4 Stunden im Bus kamen uns viel leichter vor als noch bei der ersten Bustour. Wahrscheinlich war es die Freude darüber, schon sobald über die Grenze und näher an Deutschland heranzufahren. Diese Etappe war recht angenehm.

In Avignon angekommen, loderten die inneren Stressflammen wieder auf. Wir wollten ursprünglich den Abendzug nach Straßburg vom Bahnhof in der Innenstadt nehmen, aber der Zug fuhr nicht. Er fiel wegen dem Streik der französischen Bahnangestellten aus. Der nächste Zug in diese Richtung würde erst am nächsten Morgen fahren. Das hieße aber, dass wir im Bahnhof warten und übernachten müssten. Das war mir gar nicht recht. Ich hatte den Eindruck, dass wir unbedingt in Bewegung, im Fluss bleiben müssten. Vom entfernten Fernbahnhof ging noch ein TGV Schnellzug nach Paris. Kurz entschlossen erreichten wir mit all‘ unserem Gepäck in letzter Sekunde den Bus zum Fernbahnhof und in letzter Minute den Schnellzug nach Paris. Die Erleichterung war groß. Wir bewegten uns mit einer hohen Geschwindigkeit fort. Vielleicht könnten wir sogar noch in dieser Nacht nach Deutschland weiterreisen?

Paris ist unfreundlich zu seinen unkonventionellen Gästen

Kurz vor Mitternacht kamen wir in Paris am Bahnhof Gare de Lyon an. Von hier fährt kein Zug nach Norden oder Westen, also mussten wir zum Bahnhof Gare de L’Est wechseln. Anfangs rollten wir noch mit unseren Koffer in Richtung Bastille und République, doch die nächtlichen Straßen von Paris erschienen uns irgendwie bedrohlich und wir entschieden uns schnell für eine Taxifahrt. Überrascht mussten wir feststellen, dass der Bahnhof Gare de L’Est verschlossen ist. Der Bahnhof ist eigentlich ein schönes Gebäude, der von einem schön gestalteten Metallzaun im Abstand von ca. 60 m eingerahmt wird. Die Tore im Metallzaun sind allerdings mit Ketten und Schlössern gesichert. Reisende müssen in der Zeit von Mitternacht bis 5.00 Uhr in der Früh vor dem Zaun stehen und völlig ungeschützt warten. Paris zeigt sich uns von einer sehr unfreundlichen und sehr ungastlichen Seite. Wir waren sehr müde und hatten Hunger. Außerdem war es sehr kalt. Wir wussten nicht wohin. Gegenüber versuchten wir in einem Bistro unterzukommen, doch dieses Bistro ist wohl das Schrecklichste, was einem Gast passieren kann. Der Kellner dort ist ein aggressiver, bissiger Rausschmeißer. Kofferreisende Zugreisende sind ihm ein Gräuel. Jeder Gast hatte bei Bestellung eines Getränks nur ca. 30 Minuten Zeit, bevor er entweder neu bestellen musste, oder er wurde von ihm auf bedrohliche Art und Weise rausgeworfen. Die Atmosphäre, der Schmutz und dieser gefährliche Kellner ließen uns die Flucht ergreifen. Da es keine Alternative im Umkreis des Bahnhofs gab, stellten wir uns mit unserem Gepäck vor eines der Tore im Metallzaun des Bahnhofs.

Wir standen dort nicht alleine. Mittlerweile hatten sich ca. 50 bis 70 wartende Reisende eingefunden. Am Gepäck war ersichtlich, dass sie alle von weit her kamen und sich ebenfalls auf einer Abenteuerreise nach Hause befanden. Keiner entfernte sich aus Sicherheitsgründen weit weg von seinem Koffer und dem Handgepäck. Noch sehr lange mussten wir warten, bis der Bahnhof geöffnet wurde. Wir waren sehr müde, und es war eisig kalt. Viele waren ja wie wir aus dem Urlaub im warmen Süden gekommen und deshalb nicht warm genug eingepackt. Außerdem hatten wir nicht erwartet draußen vor dem Bahnhof in der Kälte warten zu müssen. Alle warmen Kleidungsstücke wurden nach und nach aus dem Koffer geholt und angezogen. Da war es egal, ob das modisch schick aussah oder nicht. Die Kälte breitete sich trotzdem im Körper aus, und so bewegten sich alle fast schon gleichmäßig rhythmisch hin und her, um sich ein wenig zu wärmen. Nur langsam verging die Zeit.
Gegen 4.30 Uhr ging das Licht der übergroßen Uhr über den Haupteingang an und weckte unsere gespannte Erwartungshaltung. Dann endlich schritten zwei uniformierte Bahnangestellte würdevoll mit ihren Schlüsseln durch den Haupteingang in Richtung der Tore im Metallzaun. Welches würden sie zuerst öffnen? Die Reisenden schulterten ihre Rucksäcke, griffen ihre Koffer, warteten, drängelten dann durch die geöffneten Tore und strebten zum Haupteingang hin. Das Rollen der Koffer über das unebene Pflaster des Vorfeldes zum Bahnhof klang wie eine von den Reisenden selbstkomponierte Musik. Alle hatten nur noch ein Ziel: rein in das etwas wärmere Gebäude und eine Fahrkarten ergattern. Wir hatten noch Sorgen, dass der Streik des französischen Zugpersonals andauern könnte oder der Zug überbucht sein könnte. Mit Hilfe eines Mitreisenden konnten wir aber an einem Automaten unsere Fahrkarten bekommen. Das war ein Juchzen und einen Freudenstanz wert. Jetzt waren wir unserem Ziel ganz nah gekommen. Nur noch auf die Abfahrt des Zuges warten. Nach dieser Nacht war der erste Automatenkaffee einfach göttlich, und die ersten Croissants waren einfach himmlisch.

Ab nun gibt es nichts ungewöhnliches mehr zu berichten. Der deutsche Zug kam pünktlich und brachte uns nach ein paar Stunden Fahrt sicher nach Hause. Wir genossen es in drei verschiedenen Sprachen begrüßt und informiert zu werden, nicht wie in Frankreich, wo es nur eine Sprache gibt: die eigene. Endlich zurück in Frankfurt. Nach diesen drei erlebnisreichen Tagen on Tour mit Gepäck, dass nicht dafür gemacht ist, fast ohne Schlaf, wenig getrunken, um nicht zu oft zur Toilette gehen zu müssen, reich an wertvollen Begegnungen, hilfsbereiten Menschen und glücklichen Fügungen, bleibt jetzt nur noch der Wunsch nach einer ausdauernden Dusche, frischer Kleidung und ausdauerndem Schlaf. Vorläufig ist der Reisewille ganz still.

Hari AUM

Samstag, 10. April 2010

Ich bin dann mal weg.

Ich bin dann mal weg.
Vor zwei Tagen rief ich wie in jedem Jahr: „Ich bin dann mal weg.“
Dank Claudia und vieler Freunde und Freundinnen konnte ich mich für eine Woche zur inneren Einkehr verabschieden. Dies ist für mich eine lebensnotwendige Woche. Es ist keine Urlaubswoche, auch wenn es so aussehen mag. In dieser Woche entziehe ich mich allen gewohnten Sinneseinflüssen und den üblichen Identifikationsbestätigungen. Ich versuche jeglichen Druck herauszunehmen – was gar nicht so einfach ist. Nur so können sich die im Laufe des Jahres angesammelten inneren Belastungen zeigen. Alle Lebensumstände hinterlassen Spuren auf der Seele. Regelmäßige Yogapraxis und Meditation balancieren diese täglichen Spuren im Inneren aus. Doch tiefer gehende emotionale und existentielle Erlebnisse und Ereignisse müssen separat verarbeitet werden, damit sie sich nicht im Inneren festlegen und die Lebensfreude nachhaltig beeinflussen. Dieses innere Aufarbeiten und bewusste Verarbeiten braucht Zeit. Deshalb ziehe ich mich mindestens einmal pro Jahr zu einer Klausur mit mir zurück.

Man muss nicht unbedingt auf einen Pilgerpfad gehen, um sich seiner Seele zu nähern. Das ist zwar leichter, denn ein solcher Pfad ist mit viel Energie aufgeladen, weil schon so viele Menschen diesen Weg gingen, um sich wieder sich selbst zu nähern. Gemeinsamkeit ist eine enorme Kraft, die von Pilgern genutzt wird. Doch der Weg des Herzens, Hiranya Marga, wird auf formlose Art und Weise beschritten. Wege führen nicht unbedingt weit weg von allem: Sie können auch direkt in etwas hineinführen. Im Herzen sind alle Richtungen wertfrei möglich. In der inneren Einkehr geht es darum, sich wieder für die verschiedenen Wege zu öffnen, bereit zu sein für neue, unkonventionelle Wege, wieder ganz auf das Herz zu hören und ihm zu folgen.

Anfangs ist es nicht einfach, das Aufgestaute bewusst zu fühlen und zu denken, denn schließlich gab es Gründe für das Aufschieben. So manches Gefühl war zu intensiv und so mancher Gedanke zu stark für den Alltag. Jetzt, ohne aktive Kontrolle, ohne das alltägliche Aufgewühltsein, kommen alle Erlebnisse, Gefühle und Gedanken wie aus einem tiefen Bergsee nach oben und wollen ans Licht. Unverdautes will verdaut werden, Ungelebtes will gelebt werden, Nicht-Gefühltes will gefühlt werden, Nicht-Gedachtes will gedacht werden. Wenn dieser Prozess einmal in Gang gesetzt ist und man sich dem inneren Rhythmus anvertraut, dann kommen nach und nach die Intensität der Gefühle und die Klarheit der Gedanken zurück. Es ist so wohltuend, wieder sich selbst zu vertrauen. Alles ist möglich dem, der vertraut.

Donnerstag, 1. April 2010

Freundschaft ist zeitlos

Freundschaft ist zeitlos, wenn sie sich verändern darf. Veränderungen sind natürlich. So, wie alles in der Natur wächst, sich verändert und sich entwickelt, so kann sich auch die Natur des Menschen verändern. Welch ein Glück. Für mich ist es wichtig, dass es diese Veränderung und Weiterentwicklung gibt. Ich möchte nicht, dass alles so bleibt, wie es ist. Ich möchte auch nicht immer den gleichen Menschen in meinen Freunden begegnen. Ich finde es aufregend, lebendig und bereichernd, wenn ich mich verändere, wenn sich meine Freunde verändern und wenn sich unsere Gespräche und Unternehmungen verändern.

Freundschaft bewährt sich in Krisenzeiten. In Krisen ändern sich Gewohnheiten. Krisen brauchen neue Ideen, neue Verhaltensweisen und Freunde, die Krisen zulassen können. Wer einen Freund braucht oder will, muss selbst ein Freund sein. Für mich ist es ein Glück und ein Geschenk, wenn Freunde einfach da sind.
Freundschaft ist ein Gefühl. Das Gefühl der Freundschaft wird im psychischen Herzen empfunden und ist unabhängig von Aussehen, Fähigkeiten und Verwendungszweck. Freundschaft ist ein grundlegend gebendes Gefühl. Im Gefühl der Freundschaft entsteht ein mildes, weiches Licht, das auf den Menschen gegenüber scheint. Dadurch können selbst scheinbar unvereinbare Gegensätze integriert werden.

Freundschaft ist eine geistige Haltung. Freundschaft muss man sich nicht erarbeiten. Freundschaft ist keine Erwartungshaltung, sondern die freundschaftliche Sicht auf die Umgebung und auf die Menschen. Freundschaften entstehen im eigenen Herzen, ganz unabhängig davon, ob Freunde da sind. Wer denkt: „Um mich herum sind Freunde, ist eine freundschaftliche Welt“ derjenige wird in einer freundschaftlichen Welt mit vielen Freunden leben.

Freundschaft ist in einer einzigen Begegnung möglich. Freundschaft ist die Kraft im Herzen, die Kraft Maitri. Im Moment einer Herzöffnung wird Maitri erfahrbar.

Hari AUM

Sonntag, 14. März 2010

Der Weg ist das Ziel.? – Von wegen!

„Der Weg ist das Ziel.“ Diese Aussage wird Konfuzius zugeschrieben.

In den Jahren des Wirtschaftswunders zählten hauptsächlich Ziele wie Wohlstand, Erfolg usw. Hier war fast jedes Mittel recht, um diese Ziele zu erreichen. Der Augenblick im Leben verlor mehr und mehr an Bedeutung. Man konnte fast meinen, das jetzige Leben hätte weniger Wert als die Zeit nach dem ‚Schaffen‘. Die Qualität zu Leben wurde so auf später verschoben. Im Grunde weiß jeder von uns, dass das nicht geht: Genießen kann man nicht verschieben. Sich freuen kann man nicht verschieben. Lieben kann man nicht verschieben. Die erfüllenden Momente geschehen nur im Augenblick. So ist es verständlich, dass dieses Zitat von Konfuzius in den 60er und 70er Jahren wieder Bedeutung bekam und auch heute noch gilt.


Aber es gibt auch noch einen anderen Aspekt zum Thema. Ich habe bei ‚Uncyclopedia‘ folgenden Satz gefunden: „‘Der Weg ist das Ziel‘ ist das Lebensmotto orientierungsloser Zeitgenossen, die in Ermangelung eines klar gesteckten Zieles kurzerhand den Weg dahin als eigentlichen Sinn ihres Daseins postulieren.“ Jeder kann es sich so leicht machen, wie er möchte. Jeder richtet sich im Leben so ein, wie es möglich ist. Dies ist eine alte Diskussion. Manche sehen das Leben als Ziel und manche sehen das Jenseits oder das nächste Leben als Ziel. Meist sind solche Konzepte abhängig von den eigenen Möglichkeiten.


Ziele sind wichtig. Sie richten unser Handeln. Wir Menschen sind immer aktiv. Für unser Handeln haben wir einen Grund: Existenz sichern, sich ein Essen zubereiten, anderen helfen wollen, gewinnen wollen, sich verwirklichen wollen usw. Werden Ziele bewusst entschieden, ergibt sich daraus der Weg zum Ziel ganz von selbst. Ziele sind förderlich, denn sie koordinieren und organisieren das Handeln. Je nach Wichtigkeit haben Ziele eine Sogwirkung zum Erfolg.


Aber es kommt auf die Art der Ziele an. Nicht alle Ziele führen zur Zufriedenheit. Nicht alle Ziele bringen Glück. Nicht alle Ziele erfüllen den Menschen. Manches Ziel entpuppt sich als eine Etappe, auf die ein weiteres Ziel folgt. Immer wieder entstehen neue Ziele, die im Grunde nur Etappen sind und wieder zu weiteren Zielen führen. Solche Ziele vermehren sich unendlich und können abhängig machen: immer mehr, immer größer, immer wichtiger…

Manche Ziele sehen am Anfang des Weges ziemlich klasse aus. Und erst spät ist zu sehen, dass das Erreichen dieses Ziels unfrei macht. Das passiert oft bei den ‚Haben-wollen-Zielen‘. Dann muss man sich z.B. darum kümmern und dafür Platz schaffen. Diese Ziele sperren ein, können einem die Luft zum Atmen nehmen, lassen keine Veränderungen zu usw. Im Grunde führen alle Ziele, die nur ich-bezogen sind, die nur auf die persönliche Wunscherfüllung ausgerichtet sind, in die Unfreiheit.


Manche Ziele aber machen glücklich und zufrieden. Wenn wir Ziele definieren, die dazu beitragen sich selbst zu sättigen, sich selbst zu stärken, sich selbst zufrieden zu machen, sich selbst zu kultivieren, sich über sich selbst zu erheben und zur inneren Ruhe bringen, dann führen diese Ziele zur Bedürfnislosigkeit. Dann lösen sich die Ziele auf. Dann braucht man keine Ziele mehr. Dann ist auch kein Weg mehr nötig.


Ich glaube, dass wir Menschen Ziele brauchen, um Wege zu beschreiten. Für mich sind Ziele austauschbar. Entweder haben sie eine persönliche Bedeutung oder sie sind Teil eines Lebensplans. Ich beschäftige mich viel mehr mit der Qualität der Ziele, die das Leben schön machen und den Menschen glücklich.


Hari AUM

Samstag, 6. März 2010

Willkommen im Club! Teil 2

Der Mensch lebt nicht gerne allein. Er bildet Paare, Gruppen, Familien, Verbände, Vereine, Interessengemeinschaften, Lebensgemeinschaften usw. Dies geschieht üblicherweise durch direkte Kommunikation. In Gesprächen oder gemeinsamen Aktivitäten wird geprüft, ob und inwieweit die Interessen oder Meinungen zusammenpassen. Leider lässt die Fähigkeit direkt zu kommunizieren nach. Kritische Anmerkungen oder Rückmeldungen an der eigenen Person sind nicht mehr gewünscht. Informationen werden nicht mehr auf direktem Wege von Angesicht zu Angesicht ausgetauscht. Beliebt sind einfache kurze, fragmentale Informationen per SMS oder eMail. Dabei werden überraschende und ungewöhnliche, manchmal auch unlogische Symbol- und Sprachkombinationen verwendet, deren Aussagekraft oftmals auf bloße Annahme beruht oder in einer außergewöhnlichen Interpretationsfähigkeit besteht. Ein Ersatz für ein gemeinschaftliches Erleben mit anderen scheint die TV-Präsenz in einer Talkshow, einer öffentlichen psychologischen Sitzung oder buntgewürfelten Not-Gemeinschaften unter Beobachtung zu sein. Der Mensch lebt halt nicht gerne alleine. Gelingt es ihm selbst nicht eine eigene Gemeinschaft zu gründen oder zu finden, lässt er dies von anderen organisieren und bezahlt dies mit dem Verlust der Privatsphäre bis hin zur Bloßstellung der eigenen Person. Ich denke, dass dies ein verschleierter, direkter Weg hinein in eine innere Verarmung des Menschen ist.


Viel besser wäre es zu lernen wieder selbst zu kommunizieren. Kommunikation beginnt mit dem Bewusstsein für die eigene Person, der eigenen Befindlichkeit, den innewohnenden Wünsche und Sehnsüchten und dem persönlichen Umfeld. Erfolgreiche Kommunikation bedarf einer wachsamen und ehrlichen Sprache mit sich selbst und anderen. Diese entwickelt sich durch eine regelmäßige bewusste Selbstreflektion. Dazu gehört am Abend die Reflektion des persönlich erlebten Tagesgeschehens, je nach Anlass die reflektorische Aufarbeitung von Konflikten und immer wieder die Innenschau zum Erkennen des Selbst. Je offener, ehrlicher und direkter die Sprache ist, desto leichter wird die Selbstreflektion. Dadurch entwickelt sich Selbstkompetenz.


Menschen mit Selbstkompetenz kommunizieren anders. Sie sind sensibel mit sich und kommunizieren sensibel mit anderen. In Gesprächen mit anderen entwickeln sie durch die direkten Rückmeldungen der Gesprächspartner ihre Sprachkompetenz weiter und prüfen z.B., ob das eigene Anliegen vom anderen verstanden wird. Wenn der andere mich nicht versteht, liegt das nicht unbedingt an einer Unfähigkeit des anderen. Meist ist man sich selbst nicht bewusst, was man konkret gesagt hat oder wie man es gesagt hat. Das lässt sich leicht ändern. Kommunizieren heißt nicht nur selbst reden, sondern vor allem Wahrnehmen durch Hören. Wer nach innen lauscht, nimmt wahr, was die Sinne zu sagen haben. Wer auf die eigenen Gefühle und Gedanken lauscht, erhält Informationen über sich selbst. Wer anderen zuhört, kann andere verstehen. Wer sich selbst beim Sprechen zuhört nimmt wahr, was der andere gerade hört. Dies ist eine gute Voraussetzung miteinander zu kommunizieren und sich zu begegnen. Eine solche Begegnung erfüllt das Herz und man ist nicht allein.


Menschen mit Selbstkompetenz sind eine große Bereicherung für eine Gemeinschaft.

Hari AUM