Montag, 19. September 2011

Miteinander leben

Das Zusammensein mit anderen Menschen ist oft kein wirkliches Miteinander. Meist ist es nur die gleichzeitige Anwesenheit mehreren Personen am gleichen Ort und im gleichen Zeitfenster, mit dem Zweck, die mehr oder weniger ausschließlich die eigenen Interessen zu verfolgen. Das ist im Straßenverkehr so, wo es scheinbar nur darauf ankommt, die eigenen Wege so bequem und direkt und individuell und spontan wie möglich zu gehen oder zu fahren. Da scheint jeder in einer ganz eigenen Welt zu leben, in der es keine anderen Menschen bzw. Fahrzeuge gibt. Da scheint es z.B. für Autofahrer wie für Radfahrer völlig unnötig zu sein, ein Signal an andere zu geben, um die Fahrbahn zu wechseln. Das wird oftmals erst dann völlig überraschend bemerkt, wenn es zu Zusammenstößen kommt. Ein solches ichbezogenes machtvolles Verhalten gibt es überall, in Freundeskreisen ebenso wie in Familienverbänden, im Urlaub oder auf Veranstaltungen.


Miteinander sein ist Ausdruck sich anderer Menschen und anderer Lebewesen bewusst zu sein, die im grunde die gleichen Interessen, Ansprüche und Erwartungen haben. Es sollte meiner Meinung nach nicht nur darum gehen selbst an's Ziel zu kommen, sondern dazu beizutragen, dass auch die anderen an ihr Ziel gelangen. Dazu muss man sich manchmal durchsetzen und manchmal zurücknehmen. Manchmal sollte man anderen den Vortritt lassen und manchmal muss man sich durchsetzen. Wichtig ist, dass alles im Leben im Fluss bleibt.

Zwei Erlebnisse aus zwei Kulturen machen dies für mich besonders deutlich.
Wenn ich mal zum Shopping über die Einkaufsstraße „Zeil“ in Frankfurt gehe, fühle ich mich danach meist wie nach einem Zusammenstoß beim „Autoskooter“ auf der Kirmes. Die Menschen bewegen sich dort schnell, manchmal hektisch, wirken kolossal nach außen, fast stur so im Sinne von „Platz da, hier gehe Ich“. Viele wirken wie absichtlich aufgeblasen und beanspruchen „ihren“ Raum gegen andere. Andere wiederum wirken eher defensiv und weichen den vielen „Platzhirschen“. Auch wenn vielleicht glücklicherweise kein körperlicher Zusammenstoß geschieht, so stoßen doch die Gefühle und Gedanken der Menschen ständig zusammen und verursachen anschließend ein Gefühl regelrecht „zerbeult“ zu sein.


Im Vergleich dazu ist die Shoppingtour in der „MG Road“ oder der „Center Street“ in Poona in Indien geradezu ein warmer, lebendiger und erlebnisreicher Spaziergang. Auf diesen Straßen befindet sich ein Vielfaches mehr an Menschen, als auf der „Zeil“, die einkaufen, handeln, handwerkeln, nähern, Lasten auf selbstgebauten Karren transportieren, Tee trinken, einen Imbiss zu sich nehmen, betteln, Plakate malen usw. Hinzu kommen unzählige Rikschas, die gerade noch so zusammenhalten, und uralte Taxis, die sich hupend durch Gewühl schlängeln, schnaubend, spuckend und trötend. Und doch wird kaum einer angerempelt. Jeder hat den anderen im Blick und ist bereit auszuweichen. So bewegt man sich bald selbst schlängelnd durch die Massen. Hier ist kein Platzanspruch zu spüren. Es ist eher ein breites Gefühl des Platzgebens, das alle miteinander vernetzt. Hier bewegt sich alles miteinander.
Für mich zählt ein Miteinander viel. Im Miteinander lassen sich meine Ziele viel leichter umsetzen.

Hari AUM
Kumud D. Schramm
kumud@web.de