Die Fähigkeit
mitfühlen zu können ist für mich eine große menschliche Leistung.
In unserem Inneren schlummern ichbezogene Instinkte,
die den persönlichen Interessensradius an den Dingen außerhalb der eigenen
Persönlichkeit einschränken. Ohne bewusste Selbststeuerung oder
Selbstreflektion und ohne offene und direkte Kommunikation mit dem Außen, verselbstständigt
sich diese innewohnende Tendenz und wird zur Egozentrik und kann sich bis hin
zum Egoismus verstärken. Alle Interessen drehen sich dann oft nur noch um sich
selbst, Menschen und Dinge werden nur noch in Bezug zum eigenen Ich gesehen,
die eigene Sicht auf die Dinge und der eigene Vorteil stehen im Vordergrund.
Dabei geht meist das Gefühl für sich selbst, für die Umwelt und für andere
verloren.
Dabei sind Gefühle doch so wichtig. Die Fähigkeit zu
fühlen ist so elementar für uns Menschen wie es die Fähigkeit zu denken ist,
und die Fähigkeit zu handeln. Fühlen ermöglicht uns, das, was wir denken und
das, was wir tun, wirklich zu erleben und zu begreifen. Gefühle geleiten mich
in mein Inneres, zu meinen innersten Empfindungen.
Fühlen ist für mich die Wärme im Denken und die Farbe
im Handeln.
Mitfühlen ist eine starke integrative Kraft. Mit
jemanden zu fühlen, stellt Nähe zu diesem Menschen her. Mit mir zu fühlen,
stellt Nähe zu mir selbst her. Wenn ich mich fühle, meinen Körper fühle und
meine tiefen Empfindungen zulasse, dann wird es mir möglich, mich selbst zu
verstehen. Wenn ich Freude in mir fühlen kann, werde ich Freude auch bei
anderen erkennen und fühlen können. Wenn ich das Gefühl der Trauer kenne, dann werde
ich auch die Trauer eines anderen erkennen können, denn ich weiß, wie sich
traurig sein anfühlt.
Trotzdem finde ich es wichtig, das Gefühl des anderen
von dem Gefühl in mir zu unterscheiden, um zu vermeiden, dass aus dem Mitfühlen
ein Mitleiden wird. Das Gefühl, z.B. der Trauer, mag beim Fühlenden und beim
Mitfühlenden gleich sein, aber die Hintergründe für das Gefühl der Trauer sind bei
beiden unterschiedlich. Meist ist das Gefühl bei dem einen ein Gefühl mit aktuellem
Anlass, und beim anderen ein Gefühl mit erinnerten Erlebnissen. Während sich im
Mitfühlen die integrative Kraft der Nähe zeigt, werden im Mitleiden die
ursächlichen Ereignisse auf den anderen übertragen und belasten den trauernden
Menschen noch zusätzlich.
Mitfühlen ist eine tröstende Kraft, eine
zwischenmenschliche Hinwendung an jemanden, der gerade Schmerz erträgt. Nur
Mitfühlen ermöglicht es, zu trösten. Es reicht einfach nur da zu sein und
mitzufühlen.
Im
Grunde können wir einem anderen Menschen in emotionaler oder mentaler Hinsicht nicht
helfen, aber wir könnten da sein, um mit ihm zu fühlen und etwas durchzustehen.
Hari
AUM
Kumud Doris Schramm